Digitales in Zeiten der Ebola

Als Heuhaufen lässt sich die Fülle an Beiträgen zur Ebola-Epidemie ganz angemessen beschreiben. Nadeln sind entsprechend selten – panische Weltuntergangsszenarien, Geldof-Content, die Privatsphäre der Erkrankten vernachlässigende Klickstrecken und rührige Geschichten über Zusammenführungen mit dem Familienhund in den USA tümmeln sich umso häufiger auf den Startseiten sämtlicher Medien. Einige Dekonstruktionen rund ums Thema sind inzwischen glücklicherweise auch zu finden (siehe: Fischblog, On the Media, Motherboard, Africa is a Country , Teju Cole).

Doch welche Bedeutung kann digitalen Technologien als Ergänzung zu klassischen Medien im Kampf gegen die Epidemie beigemessen werden? Neben dem Internet spielen vor allem das Radio, Fernsehen und Zeitungen nach wie vor eine Rolle. Dank der großflächigen Verbreitung von Mobiltelefonen in allen stark betroffenen Ländern (Liberia: 69%, Sierra Leone 57%, Guinea 71%) können auch SMS sowie Websites/Apps zur Verbreitung von Informationen eingesetzt werden. SMS ermöglichen zudem eine sichere Kommunikation zwischen Erkrankten und Angehörigen. Gleichzeitig können Mobiltelefone seitens der Bevölkerung zur Meldung neuer Krankheitsfälle usw. genutzt werden. Von geringerer Bedeutung dürften Websites, die nicht für mobile Zugriffe geeignet sind, sein.

Staatliche Institutionen

Im August veröffentlichte Nigerias Polizei die wichtigsten Informationen über Symptome, Präventionsmaßnahmen und wichtige Anlaufstellen in vier der meist gesprochenen Sprachen (insgesamt beläuft sich die Zahl der Sprachen auf über 500) des Landes: Hausa, Igbo, Yoruba und Nigerian Pidgin.

Das Gesundheitsministerium Liberias verteilt in Zusammenarbeit mit UNICEF und IntraHealth International offizielle Informationen über mHero per SMS an Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Auch Umfragen, Analysen und die Entsendung von Gesundheitspersonal zu Erkrankten sind möglich. Über mHealth sollen künftig außerdem eLearning-Angebote implementiert werden.

Wissenstransfer

Firdaus Kharas verfolgt mit dem Kurzfilm Ebola: A Poem For The Living das erklärte Ziel, Informationen über die Krankheit zu verbreiten und kursierende Falschinformationen zu widerlegen. Das Video ist unter CC BY-NC-ND 3.0 in – derzeit – 10 Sprachen erschienen und in geringerer Auflösung sowie als Download zur Offline-Distribution verfügbar.

Eine der außergewöhnlicheren Lösungen ist die Ebola Training Challenge, eine Simulation der Firma Shift Labs aus Seattle. Im Rahmen eines Hackathons trafen im Oktober EntwicklerInnen und MedizinerInnen zusammen, um eine digitale Nachbildung der Behandlungssituation von EbolapatientInnen in Liberia zu schaffen. So sollen darüber beispielsweise Handlungsroutinen, wie das Ausziehen der Schutzkleidung, internalisiert und die Arbeit mit einer beschlagenen Schutzbrille vorbereitet werden.

Zusätzlich versucht man, Informationen über die Diaspora zu streuen. Da nur wenige Menschen in den von Ebola betroffenen westafrikanischen Ländern über einen dauerhaften Zugang zum Internet verfügt, aber viele der rund 450.000 LiberianerInnen in den USA regelmäßig auf Social Media zugreifen dürften, werden diese gezielt über diese Kanäle angesprochen:

Experiences from Haiti and the Philippines show that the diaspora is an important information channel for the people living in affected countries. Very often they assume that their relatives in the US or Europe will know more, not least because many don’t trust their own governments to tell the truth.
Social media can play an important role in correcting misinformation and indeed, both the WHO and the CDC are using their social media channels in this way.

Eine von Dutzenden Apps (darunter auch einige skurrilere bis schwer dämliche Geschichten) rund ums Thema ist Code LLCs About Ebola (Android, iOS). Die ist mit 2,2 MB einigermaßen schlank geraten und stellt alle Inhalte unter CC-Lizenz zur Verfügung. Informationen zu Symptomen und Dos und Don’ts stehen in Englisch, Französisch, Diola, Wolof, Kiswahili, Liberian English und Krio zur Verfügung (ÜbersetzerInnen werden weiterhin gesucht).

About Ebola App

Die Gefahr eines Überangebotes, einer Art „humanitären Spams„, ist in diesem Bereich groß, vor allem, wenn es an Kommunikation und Abstimmung zwischen Akteuren in gleichen Räumen, mit ähnlichen Zielgruppen, mangelt. Bisher sind über 200 solcher Kommunikationskampagnen bekannt.

Mapping

Unter Initiative des Humanitarian OpenStreetMap Teams soll eine detaillierte Karte der betroffenen Gebiete entstehen.  In Zusammenarbeit mit Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen werden wichtige Transportwege gekennzeichnet. Die Beteiligung ist, vielleicht auch weil sie dezentral organisiert ist, überwältigend:

By the 8th of August, the effort passed 5 million objects modified and more than 8,000 places. There were 449,743 buildings traced. Note that 8,296 of these buildings are represented by a simple node because the imagery for these zones is not detailed enough to show the outlines of the buildings. This contribution was made possible by the work of 840 volunteers around the world participating remotely through the Internet.

Ebola Deeply, eine Plattform des New Yorker Startups News Deeply (verantwortlich u.a. für Syria Deeply), bietet nebst einer animierten Timeline, die die Geschichte der Krankheit bis ins Jahr 1976 (!) zurück verfolgt, einer Fülle an Hintergrundinformationen und aktuellen Berichten eine Case Map, in der die bisher bekannten Erkrankten sowie Todesfälle nach Ländern aufgeschlüsselt werden.

Unter der Fulcrum Gives Back-Initiative befindet sich mit ebolamap.info eine weitere Karte noch im Aufbau. Gesammelt werden die Daten via Fulcrum, die eigens für diesen Zweck entwickelte App wird allerdings erst auf Anfrage via Mail oder Twitter herausgegeben. Fulcrum stellt die hauseigene Organisationsanwendung auch für Hilfsorganisationen und medizinisches Personal kostenlos zur Verfügung. Via App können Datenblätter für Erkrankte oder Verstorbene angelegt werden, die – laut Fulcrum – sicher in der Cloud hinterlegt werden. So entsteht eine Art Ticketsystem, über das die Versorgung Erkrankter sowie sichere Begräbnisse und sonstige Sicherheitsmaßnahmen nach Todesfällen protokolliert werden können. Nützlich dürfte dies letztlich auch dann sein, wenn eingehende Daten mit Geotags versehen sind. So ist medizinisches Personal nicht auf das Vorhandensein von Straßenschildern oder Hausnummern angewiesen. Alle Daten können zusätzlich als .csv exportiert werden. Ein Überblick über die Verbreitung der App und den tatsächlichen Nutzen – MedizinerInnen in Schutzanzügen benötigen beispielsweise einen Stylus, um die App bedienen zu können – ist nicht verfügbar.

Gleichzeitig dürften Bedenken und Angst seitens der Bevölkerung, einen Krankheitsfall aus Familie oder Freundeskreis zu melden, eine Rolle spielen. Das Misstrauen gegenüber der Regierung und medizinischem Personal ist teils erheblich, und da nur etwa 30-40% aller Patienten in „offiziellen“ medizinischen Einrichtungen behandelt werden, ist das Vertrauen die Vertrauensgewinnung nicht nur in diesem Zusammenhang essentiell.

Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Kartenprojekte, wie die HealthMap oder die Karte der WHO.

Spenden

Lunchbox ist eine Initiative sierra-leonischer Expats aus Großbritannien unter Leitung von Memuna Janneh. In Zusammenarbeit mit lokalen NGOs werden in Sierra Leone spendenfinanzierte Mittagessen ausgeliefert. Gerade weil sich im Zuge des mehrtägigen Lock Downs in Freetown die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln schwierig gestaltete, füllt diese Organisation eine Versorgungslücke. Die Spendenaktion Lunch is on me greift gleich mehrere Dynamiken auf, die Netzaffinen bestens vertraut sein dürften:

1. Take a photograph of your lunch.

2. Upload your photo to social media (Instagram, Facebook, twitter etc) with the hashtag #lunchisonme. Don’t forget to state where you bought your lunch from or who made your lunch

3. Make a donation to Lunchboxgift to the value of your lunch.

4. Nominate 3 others to do the same.

Über den Ebola funding tracker des Guardian können zugesicherte und tatsächlich abgeschlossene finanzielle Hilfen einzelner Länder, Stiftungen und Firmen nachverfolgt werden.

Hackathons

Nicht nur die zuvor erwähnten Shift Labs sind aktiv in Sachen Hackathons. In den vergangenen Wochen wurden, vor allem im universitären Bereich, gleich mehrfach ähnliche Veranstaltungen ausgerichtet, die sowohl breite multidisziplinäre, als auch themenspezifische Ansätze wie Datenauswertung und -visualisierung verfolgten. So riefen Studierende der Universität Oxford am letzten Wochenende zum Ebola Crisis Hackathon auf. Am ersten Novemberwochenende wiederum war die NYU Schauplatz des #HackEbolaNYU.  Ab dem 17.11. richtet auch Harvard eine solche Veranstaltung unter dem Titel HackEbola aus.

Viele der Veranstaltungen sind Reaktionen auf einen gemeinsamen Aufruf von USAID und OpenIDEO, innovative Ansätze zum Umgang mit der Krankheit zu finden.

Unter den Beiträgen sind erwartungsgemäß viele mappingbasierte Lösungen zu finden, daneben aber auch eine Initiative zum Wissenstransfer via Aufdruck auf Wassertüten, faltbare Toiletten und aseptische Zelte.

Fazit

Einen umfassenden Einblick in die vielen Initiativen zu liefern ist eine Mammutaufgabe. Die schier erschlagende Zahl von Projekten, die zum Teil sogar das selbe Ziel verfolgen, kann zur Folge haben, dass Informationen nicht gebündelt werden können. Oftmals sind Ansätze redundant, das Rad wird immer wieder neu erfunden.

Auch Nachhaltigkeit und kontinuierliche Weiterentwicklung dürften Themen sein, über die nachgedacht werden muss.

Viele Lösungen werden sich über kurz oder lang in einer Reihe von Kriterien beweisen müssen:

Do you understand the user and ecosystem, did you design for sustainability and scale, and did you leverage opportunities for collaboration?

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